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Interview

Max Michels zur Entstehung von Caspar Health

von Andreas Nölting am 09. Januar 2019

Caspar-App

„Caspar ist eine digitale Rehabilitationsklinik, die die Grenzen des zeitlichen und örtlichen Therapiezugangs überwindet und den medizinischen Erfolg optimiert.“

Frage: Herr Michels, was genau bietet Caspar und wen wollen Sie mit Ihrem digitalen Therapieservice erreichen?

Max Michels: Caspar ist eine digitale Rehabilitationsklinik. Mit dem Einsatz unserer virtuellen Therapieplattform machen unserer Kunden, die Kliniken, einen großen Schritt in die Zukunft, beginnen mit der digitalen Transformation im Gesundheitssektor und optimieren den medizinischen Erfolg. So können die medizinischen Einrichtungen ihre Patienten effektiver behandeln, an sich binden und nachhaltig betreuen. Caspar ermöglicht die Grenzen des zeitlichen und örtlichen Therapiezugangs zu überwinden, die ständige physische Zusammenkunft zwischen Therapeut und Patient ist für eine Therapiemaßnahme erstmals nicht mehr erforderlich. Die mühsame Anfahrt entfällt, der Therapeut kann dennoch mit dem Patienten interagieren, die Ergebnisse des Trainings online verfolgen und falls nötig eingreifen.

Frage: Wie ist die Idee für Caspar entstanden?

Max Michels: Als Geschäftsführer einer der größten deutschen Rehabilitationskliniken hatte ich Ende 2015 die Idee für Caspar. In den stationären und ambulanten Rehabilitationskliniken werden mit den Patienten jeden Tag großartige Therapieerfolge erzielt. Das Problem ist jedoch, dass dieser Erfolg häufig nicht lange anhält. Wenn der Patient nach Hause entlassen wird, sollte er in der Regel noch an einer Nachsorgemaßnahme, wie beispielsweise die Intensive Reha Nachsorge (IRENA) der Deutschen Rentenversicherung, teilnehmen, damit der Erfolg nachhaltig gefestigt wird. Der Zugang zu diesen Maßnahmen ist allerdings für viele Patienten nicht gegeben, da die Entfernung vom Wohnort zur Maßnahme zu hoch ist oder der berufliche Alltag ein Nachsorgebesuch nicht ermöglicht. Mehr als 50 Prozent der Patienten erhalten aus diesen Gründen keine Nachsorge. Der Therapieerfolg kann dadurch wieder verloren gehen, was große Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten hat. Somit habe ich mir die Frage gestellt, wie wir die Arbeit in den Kliniken noch nachhaltiger und effektiver gestalten können.

Maximilian Michels

Maximilian Michels

Mit meinen beiden Gründer-Partnern Maximilian von Waldenfels und Benjamin Pochhammer haben wir dann in einem kleinen Team sehr fokussiert an dem Thema Online Rehabilitation gearbeitet. Grob kann man die Rehabilitationstherapie in zwei verschiedene Segmente unterteilen, der Hands-On-Therapie, wo der Therapeut den Patienten tatsächlich anfasst und bei den Übungen physisch unterstützt. Dann gibt es die Hands-Off-Therapie, wo der Therapeut mit dem Patienten gewisse Übungen bespricht, die dieser machen soll, um wieder selbständig und unabhängig leben zu können. Der Patient muss die Übung dann eigenständig durchführen. Ein physischer Kontakt zwischen den beiden ist hier nicht nötig. Unsere Idee war es also, den Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik zu nutzen, um für die Zeit danach einen Therapieplan mit Hilfe von Caspar aufzustellen. Der Therapeut und der Patient gehen gemeinsamen die Inhalte durch und es wird dabei überprüft, ob der Patient in der Lage ist, die Maßnahmen eigenständig durchzuführen. Bei Bedarf werden bereits vor Ort Anpassungen vorgenommen. Anschließend nimmt der Patient das Wissen der Therapeuten mit nach Hause. Mit Hilfe von Caspar wird der Patient jede Woche durch seinen individuellen und multimodalen Therapieplan geführt. Das System verfolgt dabei die Aktivität und leitet das Feedback vom Patienten direkt an den Therapeuten weiter. Durch die eingebauten Kameras in Smartphones oder Tablets, kann der Therapeut sehen, ob der Patient seine Übungen richtig oder falsch macht. Der Therapeut kann jederzeit den Therapieplan anpassen und mit dem Patienten Kontakt aufnehmen,. Alle Ergebnisse werden auf einem Dashboard angezeigt.

Frage: Wie viele und welche Therapiepläne sind bereits in der Caspar-Bibliothek?

Max Michels: Wir bieten in unserer Caspar Bibliothek neben rund 65 Standard-Therapieplänen insgesamt knapp 1.000 Inhalte aus den Bereichen Orthopädie, Kardiologie, Neurologie, Onkologie, Psychosomatik und berufsgruppenorientierte Prävention an. Alle Inhalte orientieren sich an den Reha Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung und beinhalten neben der Bewegungstherapie auch Seminare, Vorträge, Schulungen, Kochrezepte und Entspannungsübungen. In unserem multimodalen System findet man auch alle relevanten Therapiebereiche wie Physio-, Sport und Ergotherapie, sowie Logopädie, Ernährungsberatung und Psychologie. Natürlich kann jeder Therapeut mit Hilfe von Caspar auch eigene, ICF-therapiezielorientierte Therapiepläne erstellen und diese individuell für seine Patienten anpassen. Jede Woche werden von unseren Kunden knapp 12.000 Therapiepläne an deren Patienten versendet.

Frage: Was meinen Wissenschaftler und Mediziner zum digitalen Therapieassistenten Caspar? Gibt es schon Untersuchungen zur medizinischen Wirksamkeit und Akzeptanz?

Max Michels: Ja, wir haben kürzlich im Bereich der stationären Prävention mit der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See und der Deutschen Bahn ein Modellprojekt aufgesetzt, begleitet von der Goethe Universität Frankfurt. 50 Teilnehmer aus den Berufsgruppen Lokführer, Rangierer oder Zugbegleiter waren dabei. Eine kontinuierliche ambulante Behandlung passt aber nicht zu ihrer Arbeitszeit - etwa wegen des häufig wechselnden Arbeitsortes, Schichtdiensten oder der Distanz des Wohnortes zur ambulanten Klinik. Daher haben wir uns gemeinsam ein Projekt überlegt, bei dem die Teilnehmer zwei Wochen stationär in einer Präventions-Klinik vorbereitet wurden, dort bereits auf Caspar angelernt wurden und dann in einer sechsmonatigen Nachbetreuungsphase unabhängig von Zeit und Ort mit Caspar weiter trainierten. Mit Hilfe von Chats oder Videotelefonie konnten die Therapeuten die Übungen und Ergebnisse mit den Patienten besprechen und interaktiv agieren. Über 60 Prozent der Teilnehmer haben das Programm mit Erfolg abgeschlossen, die Abbruchphase war deutlich unter dem Durchschnitt. Und 47 Prozent gaben an, dass sich ihre Gesundheit während der Übungen mit Caspar verbessert habe, keiner der Teilnehmer meinte, dass sich seine Gesundheit verschlechtert hätte. Professor Dr. Darko Jekauc von der Goethe Universität schreibt in seiner Evaluation, dass die Ergebnisse auf eine hohe Akzeptanz hinwiesen und die Einschätzung der Ärzte, Therapeuten und Patienten durchgehend positiv sei.

Frage: Wie wird sich Caspar finanzieren? Wer zahlt für den Service? Und wie entwickeln sich Ihre Umsätze?

Max Michels: Unsere Kunden sind die Kliniken. Sie nutzen unser System, um den Patienten eine neue Leistung zu bieten Die Kliniken können das System in ihre bestehenden medizinischen Konzepte integrieren, die Nachhaltigkeit sichern und den Patienten langfristiger an sich binden. In der Regel wird die digitale Therapie analog der FacetoFace-Therapie vergütet. Die Kostenträger haben ein sehr großes Interesse an der Tele-Rehabilitation, da mit ihrer Hilfe ein flächendeckendes Nachsorgeangebot in Deutschland etabliert und die Nachhaltigkeit der Rehabilitationsmaßnahmen sichergestellt werden kann. Wir haben in Deutschland bereits mehr als 70 zahlende Kunden – also ambulante und stationäre Kliniken.