Blog
Artikel

Bachelorarbeit: Telerehabilitation in Deutschland – Herausforderungen und Chancen in der Nachsorge

von Corinna Storr am 08. Oktober 2021

Caspar und Medical Park

Corinna Storr arbeitet in der Rehabilitationsklinik Medical Park St. Hubertus und studiert Prävention & Gesundheitsmanagement. In ihrer Bachelorarbeit hat sie das Thema Telerehabilitation genau unter die Lupe genommen.

Von der Idee bis zur wissenschaftlichen Fragestellung

Während meines dualen Studiums in Gesundheitsmanagement an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) durfte ich meine Praxiserfahrung in einer Rehabilitationsklinik mit Indikationsschwerpunkt Neurologie in Bayern sammeln.

In dieser Zeit gewann ich nicht nur einige vielschichtige medizinisch-therapeutische Einblicke, sondern durfte zudem hinter die Kulissen des internen Qualitätsmanagements blicken und einen größeren Weitblick zur Prozesslandschaft und diversen Qualitätsstandards (u.a. der Kostenträger) gewinnen.

Neben den theoretischen Einblicken aus dem Studium über die aktuellen Herausforderungen des Gesundheitssystems, blickte ich in meiner täglichen Arbeit in der Klinik durch die Therapeut*innenbrille und nahm dabei viele Unsicherheiten und Ängste seitens der Patient*innen wahr in Hinblick auf ihren weiteren Behandlungserfolg nach ihrer Entlassung und damit verbundenen Barrieren.

Häufige Aussagen in der Therapie waren „die Reha tut mir unheimlich gut und ich bin froh über meine Fortschritte – aber wie soll es zuhause weitergehen?“, „ich wohne auf dem Land und der nächste IRENA-Anbieter ist viel zu weit entfernt, um daran teilzunehmen“ oder „die Übungen tun mir gut, aber ich habe alleine nicht die Motivation, weiterzumachen und weiß nicht, welche Übungen ich machen darf“, und so weiter.

Nachdem mich solche Aussagen beinahe täglich erreichten, ließ mich das Thema nicht mehr los. Ich hatte bereits von Telemedizin, E-Health und auch von Caspar Health gehört, aber war ehrlicherweise noch skeptisch, ob dies auch wirklich einer herkömmlichen IRENA-Nachsorge mit Therapeut*innen vor Ort gleichkommen kann bzw. wo hier der Mehrwert für die Patient*innen bliebe.

Als gerade zu der Zeit auch noch die Pandemie über uns einrollte und das Potenzial und die Notwendigkeit digitaler Lösungen brisanter denn je wurde, wollte ich es genauer wissen - womit mein Bachelorarbeits-Thema feststand.

Deshalb untersuchte ich in einer systematischen Literaturrecherche kritisch folgende Fragestellungen:

  • Stellt die Telerehabilitation, insbesondere für die Nachsorge, eine wirksame und realistisch umsetzbare Lösung dar?
  • Welche Chancen und welche Herausforderungen ergeben sich daraus?

 

Vorgehensweise und Methodik

Um diese Fragestellungen zu beleuchten, legte ich zunächst die Basis und verschaffte mir einen Überblick über die aktuelle demographische und gesundheitspolitische Situation sowie die Anzahl der Publikationen zu den Begriffen „eHealth“, „telemedicine“ und „telerehabilitation“.

Alle drei Begriffe erlebten vor allem im Jahr 2020 gegenüber der Vorjahre mit Abstand einen deutlichen Aufschwung. Trotzdem wurde unter dem Begriff „telerehabilitation“, also gerade meinem hier untersuchten Forschungsgebiet, bisher am wenigsten publiziert.

Bei der Recherche stieß ich auf spannende Gesetzgebungen wie das (sich langsam auflösende) Fernbehandlungsverbot, das „E-Health-Gesetz“ sowie unterschiedliche Gesundheitsversorgungsmodelle mit ihrem jeweils potenziellen Einsatz von Telerehabilitation.

Schnell wurde deutlich, dass es sich hier wohl nicht mit dem einfachen Aufspielen einer App getan hat und einige rechtliche Rahmenbedingungen vorab erfüllt werden müssen, um überhaupt erst zugelassen und von den Kostenträgern anerkannt zu werden.

In meinem Review fokussierte ich mich nach langer Recherche und einer klaren Eingrenzung meiner Ein- und Ausschlusskriterien auf vier ausgewählte Studien aus unterschiedlichen Ländern. Eine davon war die im März publizierte DRV-Studie über das multimodale Konzept von Caspar Health (Kaluscha & Hoffmann, 2021). Diese kam zu dem Zeitpunkt wie gerufen, da sie viele der Problemstellungen behandelte, die ich in häufigen Gesprächen mit meinen Patient*innen heraushören konnte.

 

Ergebnisse, Ausblick und Fazit

Nach der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Gegenüberstellung der Studien, einem Gesamtüberblick über die allgemeine Situation am Gesundheitsmarkt sowie unter Einfluss persönlich-fachlicher Erfahrungen und direkten Statements von Patient*innen zu dem Thema, hat sich mein Paradigma gegenüber Telerehabilitation auf jeden Fall verändert und lösungsorientiert konkretisiert.

Die Gesellschaft wird weiter altern, der steigende Versorgungsbedarf bei gleichzeitig schrumpfenden Kapazitäten am Rehabilitationsmarkt will und muss gedeckt werden. Immer mehr Menschen nutzen einen PC oder ein Smartphone, die digitale Affinität und der Wunsch nach Flexibilität steigen. Die Corona-Situation hat als Beschleuniger in der Arbeitswelt gezeigt, welche Vorteile, aber auch Nachteile die Verlagerung von beispielsweise Meetings auf den Bildschirm im Wohnzimmer mit sich bringen können. Ähnlich positiv wirkte sich die Pandemie auch auf die Annahme und Zufriedenheit der Nutzer*innen von Caspar als Alternative zum herkömmlichen IRENA-Programm aus.

Auch in diesem Fall sind die Herausforderungen und Chancen im jeweiligen Einzelfall abzuwägen. Dies setzt voraus, dass die entsprechenden Stellen (ärztlicher- und Sozialdienst, Therapeut*innen und weitere Stakeholder) entsprechend geschult und sensibilisiert werden, um entsprechend der Patient*innenorientierung und zur Verbesserung der allgemeinen Public Health-Situation zu agieren. Die notwendige Berücksichtigung unterschiedlicher subjektiver Vorlieben, der jeweiligen Indikationen und Möglichkeiten für einen maximalen und nachhaltigen Therapie- und Nachsorgeerfolg hat auch die DRV-Studie gezeigt.

Insgesamt ergab sich aus der abschließenden SWOT-Analyse (Gegenüberstellung der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken und daraus abgeleitete Handlungsansätze) über „Strategien zur Förderung von Telerehabilitation und -Nachsorge in Deutschland“ eindeutig, dass zu dem Thema mehr (qualitativ) evaluiert und publiziert werden muss, um die Wirksamkeit von Telerehabilitation zu bestätigen und damit die Reliabilität vor Kostenträgern und Zuweisern zu stärken.

Der Einbezug von evidenzbasierten Leitlinien, der DSGVO und weiteren Gesetzgebungen ist bei der Etablierung genauso wichtig wie die Schulung der Medienkompetenz der jeweiligen Nutzer*innen und eine benutzerfreundliche Softwareentwicklung mit Feedbacksystem zur Leistungskontrolle.

Das Ziel sollte dabei nicht die vollkommene und kosteneffiziente Automatisierung unter Verlust der therapeutischen Güte sein – viel wichtiger ist hierbei die Entlastung aller Betroffenen und die Generierung eines Mehrwertes bis hin zur Förderung der Selbstwirksamkeit von Patient*innen, um gesundheitsfördernde Routinen langfristig in ihren Alltag zu integrieren und damit eine erhöhte Lebensqualität wiederzuerlangen.

Corinna Storr arbeitet in der Rehabilitationsklinik Medical Park St. Hubertus am Tegernsee (Orthopädie / Traumatologie / Sportmedizin / Kardiologie / Innere Medizin), wo Caspar bereits erfolgreich verwendet wird. Sie studiert Prävention & Gesundheitsmanagement im Master an der DHfPG mit den Schwerpunkten Sporttherapie und Betriebliches Gesundheitsmanagement. Anfragen zu den Ergebnissen der Bachelorarbeit oder sonstige Kontaktanfragen gerne via LinkedIn / XING oder an corinnastorr@posteo.de