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Interview

Im Interview: Die neue Reha − setzt sich E-Health durch?

von Bianca Passlack am 04. Juni 2021

Wir haben mit Christof Lawall, Geschäftsführer der DEGEMED, über die Zukunft der digitalen Rehabilitation geredet. Er hat spannende Aussichten.

Christof Lawall ist seit 2011 Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e.V. (DEGEMED) und war zuvor beim beim GKV-Spitzenverband, der Deutschen Rentenversicherung Bund, sowie der Deutschen Bank tätig. Im Interview verrät er uns seine Sicht auf das Thema E-Health im Bereich der Rehabilitation.

Wie erleben Sie die Entwicklung von digitalen Lösungen in der Rehabilitation?

Ich betrachte sie im Gesamtkontext, der verständlich macht, warum sie gerade gut funktioniert. Denn sie fällt auf fruchtbaren Boden. Zwar hat die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche aufgrund ihrer Komplexität, der Sensibilität der Daten und der zahlreichen Player vergleichsweise lange gedauert. Ihre Wirkung ist dafür jetzt umso stärker und unumkehrbar.

Christof Lawall. Bildnachweis @ Andreas Schwarz.

Christof Lawall. Bildnachweis @ Andreas Schwarz.

Die Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI), zahlreiche neue Gesundheitsanwendungen von Apps, über E-Akte und E-Rezept sensibilisieren die Player der Branche dafür, sich auch bei Behandlungskonzepten auf digitale Lösungen einzulassen. Ebenso hat sich das Denken der Rehabilitand*innen verändert. Der gesellschaftliche Megatrend der „Wissenskultur & Konnektivität“ führt unter anderem auch hier dazu, dass sie ihre Angelegenheiten lieber aktiv, individuell und digital steuern wollen, wenn sie die Wahl dazu haben.

Mit Caspar Health haben Sie die erste E-Health-Expertise in Ihrem Mitgliederkreis − wie kam es zu der Aufnahme als Fördermitglied?

Wir haben in der Pandemie unsere Verbandsarbeit weiterentwickelt und unsere Mitglieder dazu eingeladen, das in neuen digitalen Veranstaltungsformaten gemeinsam mit uns zu tun. Wie für andere Unternehmen und Institutionen auch, war Corona dabei ein “Teilchenbeschleuniger” hinsichtlich der Digitalisierung. Wir haben die Herausforderung mit großer Neugierde und Entdeckergeist angenommen. Unsere Mitglieder sind da oftmals ja schon viel weiter, agieren sie doch mit robotikgestützten Therapiegeräten und Virtual-Reality-Laboren. Um mit ihnen auf Augenhöhe zu bleiben und Anregungen einzubringen, war es für uns konsequent, E-Health-Expertise im Mitgliederkreis abzubilden.

Wo sehen Sie Chancen, wo Grenzen in der Tele-Rehabilitation?

Für Reha-Unternehmen ist Telemedizin ein klarer Wettbewerbsvorteil, für Ärzt*innen und Therapeut*innen ist sie Teil des New Work, also eine Antwort auf die Frage: Wie wollen wir morgen arbeiten? Für Rehabilitand*innen bedeutet Telemedizin zeitliche und räumliche Unabhängigkeit und gibt ihnen Selbstbestimmung. Insgesamt ist die Telemedizin ein Instrument für die Branche, so wie es auch andere Instrumente gibt. Wie genau sie es nutzt, wird von Fall zu Fall anders sein und ist auf den individuellen Bedarf abzustimmen. Die Sorge, dass Telemedizin irgendwann Mediziner*innen und/oder Therapeut*innen ersetzt, hat meines Erachtens heute keiner mehr. Jeder weiß, dass sie kein Ersatz, sondern eine Unterstützung ist.

Wie wird die medizinische Einrichtung der Zukunft aussehen?

Von einigen gesellschaftlichen Megatrends war schon die Rede und ich denke, dass auch medizinische Einrichtungen diese Trends in ihre Welt übersetzen – übersetzen müssen. Und dies nicht allein in Richtung Patient*innen, sondern auch in Richtung Mitarbeiter*innen und anderer Stakeholder. Der Trend der „Wissenskultur & Konnektivität“ nimmt mit Tele-Reha ja erst seinen Anfang und wird vielleicht irgendwann in Augmented Reality münden. Die Bewegung weg vom Individualisierungstrend hin zum Wir-Gefühl wird auch in Kliniken nach Leitbildern streben und nach einer größeren sozialen Verantwortung hinsichtlich Ökologie, Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die „Entwicklung in der Arbeitnehmerstruktur“ und deren Verjüngung durch die sogenannten „Netzwerkkinder“, die nicht besitzen, sondern teilen, wird neue Arbeitsmodelle, Diversität und Inklusion fördern.

Wie erleben Sie das politische Interesse zur medizinischen Rehabilitation derzeit?

In der Pandemie hat die Politik sehr schnell reagiert und die Reha unter die Schutzschirme genommen. Dafür sind wir sehr dankbar. Alle Beteiligten waren immens unter Druck. So wurden während der Pandemie Gesetze zum Teil über Nacht auf den Weg gebracht, die existenziell für Reha-Kliniken waren. Das Netzwerk der DEGEMED hat getragen und trägt auch weiterhin in der Pandemie.

Was muss noch geschehen?

In der laufenden Pandemie-Situation brauchen die Reha-Kliniken nun langfristig planbare finanzielle Unterstützung, die tatsächlich entstehende Mehrkosten ausgleicht. Darüber hinaus steigt der Reha-Bedarf von Long Covid Patient*innen in und nach der Pandemie stark an. Geeignete Reha-Plätze werden langsam knapp. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung unserer Reha-Angebote und Kostenträger*innen, die das aktiv unterstützen. Im Superwahljahr transportieren wir das über die Aktion „Reha-Zukunftsstaffel 2021“ in zahlreichen persönlichen Gesprächen mit Politiker*innen in Reha-Einrichtungen vor Ort.

Das sind spannende Aussichten. Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Aktion.