Ständig in Bewegung - Der digitale Weg von "f+p"
von Luisa Schumann am 26. Mai 2020
Robert Pfund von "f+p Gesund Bewegen" träumt schon lange von der digitalen Therapie. Jetzt wurde sie in seiner Klinik endlich Wirklichkeit.
Robert Pfund ist kein Mann des Stillstands. Immer in Bewegung, mental wie körperlich, war das vielleicht ein Grund für seine Berufswahl, denn ein Physiotherapeut steht selten still. 1995 beschloss Pfund mit seinem Geschäftspartner Ralf Fetzer, auch andere Menschen in Bewegung halten zu wollen, sie gründeten eine Praxis für Krankengymnastik. Doch nur die Symptome zu behandeln, reichte den beiden schon bald nicht mehr. Sie wollten Menschen ein ganzheitliches Gesundheitskonzept anbieten und so gesellten sich zur Physiotherapie bald die Ergotherapie, ein Fitnesspark, Ernährungsberatung und eine ambulante Reha, alle unter dem Namen “f+p Gesund bewegen”.
Auch im Kopf ging Pfund schon früh weiter als andere. Vor gut 20 Jahren erschien sein Buch mit CD-ROM “Leitsymptom Schmerz”, welches als digitale Fortbildung dienen sollte, ständig zur Seite bei Fragen und Unklarheiten. “Das ist kläglich gescheitert”, erzählt Pfund. “2001 war niemand bereit, seine Face-to-Face Fortbildung gegen eine CD-ROM einzutauschen, die Vorteile darin hat noch niemand gesehen.”
Robert Pfund, Geschäftsführer von "f+p Gesund bewegen"
Doch er ließ sich nicht abschrecken, wenige Jahre später führten Fetzer und Pfund ein digitales Dokumentationssystem in ihrer Therapie ein, von einem Tag auf den anderen verschwanden Stift und Papier aus den Behandlungsräumen. “Man kann sich heute kaum vorstellen, wie unsere Therapeut*innen da geguckt haben. Aber es war eben neu und ungewohnt. Heute sind wir sehr froh, dass wir das so früh eingeführt haben. Es macht vieles einfacher, mit einem Klick kann man die gesamte Behandlungshistorie einer Person einsehen.”
Die SARS-CoV-2-Pandemie hat vieles verändert. Wir sprachen mit dem Mann, der niemals stillsteht über eine Zeit, in der auf einmal alles stillstand.
Lieber Herr Pfund, was bedeutet Digitalisierung für Sie?
Digitalisierung ist eine große Chance, in vielerlei Hinsicht. Ich beschäftige mich schon viele Jahre mit dieser Idee und träume schon seit Anfang des 21. Jahrhunderts davon, dass die digitale Betreuung unserer Patient*innen ein selbstverständlicher Teil unser therapeutischen Arbeit wird. Wir sind, was die Digitalisierung angeht, sicherlich etwas weiter als andere Therapiezentren, aber auch wir haben noch viel Potential.
Wie verlief bisher die Digitalisierung bei f+p?
Wir haben ja schon 2008 das digitale Dokumentationssystem in unseren Einrichtungen eingeführt. Nach anfänglicher Skepsis hat das sehr gut funktioniert und so haben wir uns seitdem nach einer Anwendung umgesehen, welche diese Dokumentation mit der Übungssteuerung für Patient*innen verbindet. Irgendwann, vor gut drei Jahren, bin ich Caspar Health einmal auf einer Messe begegnet und dachte, das ist schon ziemlich nah dran! Doch wie es so ist, kamen andere Dinge dazwischen und wir sind das Thema nicht sofort angegangen. 2017 dann stand auf einmal Benjamin Pochhammer (Geschäftsführer von Caspar Health, Anm. d. Red) bei uns vor der Tür, um uns die Therapie-App vorzustellen. Da haben wir uns natürlich total gefreut! Wir entschieden, die Anwendung zuerst in der ambulanten Reha einzusetzen.
Wie ging es dann weiter?
Es gab da noch ein paar Dinge, die geklärt werden mussten. Es war damals noch nicht sicher, ob und wie man Caspar würde abrechnen können und die Deutsche Rentenversicherung hat für ihr Pilotprojekt Teletherapie nur 100 Kliniken aufgenommen, da kamen wir leider zu spät. So ist das Thema etwas eingeschlafen.
Wann ist es denn wieder aufgewacht?
Anfang dieses Jahres rief Max Michels (Geschäftsführer von Caspar Health, Anm. d. Red.) an und sagte, sie wollen uns unterstützen, damit das Thema endlich anrollen kann. Wir fanden einen guten Draht zueinander und hatten gemeinsam viele Ideen, wie Caspar in den verschiedenen Bereichen unseres Unternehmens angewendet werden könnte. Da dachten wir, jetzt machen wir das. Ich hab ihm einfach geglaubt was er erzählt hat! (lacht)
Wir wollten die Anwendung in alle Prozesse mit einbauen. Es ging also mit ersten Schulungen los, die Implementierung der App war für den Herbst 2020 angedacht…
... und dann kam Corona.
Genau! Durch die Nähe zu Österreich waren wir hier in Bayern natürlich besonders betroffen. Wir mussten den Fitnesspark schließen, die Ergotherapie durfte nicht mehr durchgeführt werden, Physiotherapie zwar als Notfallbehandlung schon, aber aus Angst vor der Ansteckungsgefahr blieben viele Patient*innen fern. Doch dann kam ziemlich schnell die Genehmigung des Spitzenverbandes der Krankenkassen (GKV), Teletherapie gleichwertig der Hands-on Therapie durchzuführen und abzurechnen. Darauf habe ich sofort Kontakt mit Max Michels aufgenommen und unsere eigene "f+p gesund bewegen"-App in Auftrag gegeben. In Rekordzeit war diese erstellt und wir konnten loslegen.
Die digitale f+p Klinik als App
Da steckte das Projekt “Teletherapie bei f+p” ja quasi noch in den Kinderschuhen.
Ja, aber wir haben dann einfach angefangen und die App überall benutzt. Es gab ja auch in der Physiotherapie einige Risikopatient*innen, die nicht zur Therapie kommen konnten. Es lief natürlich nicht alles glatt, hier und da ist die Betreuung per App noch etwas holprig, aber die Menschen haben gemerkt: wir kümmern uns.
Gab es Bedenken in der Belegschaft?
Alle waren erstaunlich offen. Ohne so eine Krise hätten wir das nicht so leicht durchsetzen können. Es gibt natürlich immer die Bedenken, dass die eigene Arbeit jetzt durch eine App ersetzt werden könnte, aber inzwischen konnten unsere Therapeuten sich davon überzeugen, dass die Anwendung vor allem eine Hilfestellung ist. Wir haben zum Beispiel eine Therapeutin, die vorwiegend Atemwegspatient*innen behandelt - sie war total begeistert, dass sie ihre Patient*innen fast lückenlos weiter betreuen konnte.
Welche Gruppen versorgen Sie denn jetzt mit dem virtuellen Training?
Zusätzlich zu der Betreuung von Patient*innen in der Physio- und Ergotherapie, sowie der ambulanten Reha, haben wir für die Mitglieder unseres Fitnessparks einen generellen Trainingsplan in den Schwierigkeiten leicht, mittel und schwer entworfen. Um den zu erhalten, musste man uns lediglich eine E-Mail schreiben. Wir bieten außerdem betriebliche Gesundheitsförderung in über 30 Firmen an, die wir dann auch spontan auf die App umgestellt haben.
Gab es bei den älteren Patient*innen Schwierigkeiten bei der Anwendung der App?
Keinesfalls! Zumindest war es kein Altersproblem. Wir haben eine 82-jährige Patientin aus der Fitness, die war total begeistert. Für andere, zum Beispiel eine junge Sportlerin, ist das Übungstempo eigentlich zu langsam. Die jüngeren, sportlichen Menschen nehmen eher an unseren Fitnesskursen per Zoom teil. Aber auch hier haben wir durch den Support von Caspar eine Lösung gefunden. In Bälde werden wir auch für dies Gruppe etwas Spezifisches anbieten können. Für alle Technik-Skeptiker ist die Pandemie auf jeden Fall ein Weckruf: wer zu Familie und Freunden Kontakt halten will - komme was wolle - sollte sich ein Gerät anschaffen.
Glaube Sie, dass die Behandlung per Teletherapie nach der Pandemie weiterhin genehmigt wird?
Ach, ich glaube nicht, dass die das wieder zurücknehmen können! Es ist ja so: diese ganze Struktur der Heilmittelverordnung ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Die meisten Patient*innen, die zu uns kommen, müssen lernen mit Ihrem Problem umzugehen. Hier gibt es in der Regel keinen einfachen Quick-Fix. Es muss über längere Zeit daran gearbeitet werden, Bewegungsmuster und -verhalten zu ändern oder sogar den Lebensstil zu wandeln.
Aber ein Heilmittelrezept beinhaltet in der Regel zwei Mal die Woche 20 Minuten Therapie. Das ganze gilt für drei Wochen. Wir stellen zunehmend fest, dass das nicht ausreicht. Deswegen nehmen wir ab sofort das digitale Medium mit in die Standardtherapie bei der Heilmittelbehandlung. So wollen wir die Patient*innen auf diesem Weg begleiten. Spezifische therapeutische Übungen, Wissensvermittlung, Ernährung und allgemeines Training kombiniert in einem Zeitraum, in dem sich etwas ändern kann.
Wie wird es bei f+p mit der Digitalisierung weitergehen?
Steht das Konzept und hat sich in der Praxis bewiesen, werden wir dies auf Selbstzahlerbasis unseren Rezept-Kunden anbieten. Dazu erarbeiten im Moment unsere Sportwissenschaftler Therapiepläne als eine Art “Übungsheft”, danach sind unsere Physios und dann die Ergos dran. Um noch individueller behandeln zu können, haben wir außerdem einzelne Übungen selbst aufgenommen und in unsere App geladen. In der Reha beginnen wir jetzt damit, zunächst die Sporttherapie, dann die Physio und Ergotherapie in den täglichen Ablauf einzubauen. Ziel ist, dass bis Ende des Jahres auch jede/r Rehapatient*in digital mit betreut wird.
Schauen wir mal in die Glaskugel: Wie sieht die Therapie Ihrer Träume in, sagen wir mal, zwei Jahren aus?
Alle Patient*innen und Kund*innen laden die f+p App herunter. Über die App vereinbaren sie Termine und laden ihr Rezept hoch, sodass unsere Abrechnungsabteilung darauf zugreifen kann. Unser Therapieteam kann dann fallspezifische Übungen schnell implementieren, also etwa so: Herr Müller hat ein Knieproblem und kommt deswegen nicht auf die Matte. Seine Therapeutin erarbeitet mit ihm eine Übung, mit der er diese Bewegung verbessern kann, nimmt davon ein Video auf und lädt es direkt in den Trainingsplan von Herrn Müller.
Wir sehen, Sie sind schon wieder auf dem Sprung in das nächste Zeitalter. Ein Glück, dass wir Sie dabei begleiten dürfen! Vielen Dank für das Gespräch.