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Interview

Long-Covid unterstützend mit digitaler Therapie und Caspar Health begleiten

von Jann Ohlendorf am 19. Oktober 2022

Ein neues Konzept für Partner-Kliniken kann Betroffenen helfen und Reha-Einrichtungen entlasten.

Im Sommer waren die Corona-Infektionszahlen einstweilen gesunken, die Pandemie war im Alltag weitaus weniger präsent. Inzwischen jedoch ist Corona wieder ein großes Thema - und auch die Zahl der Betroffenen, die unter Long-Covid leiden, steigt beständig. Schon jetzt sind die Ausmaße der Folgewirkungen enorm: In den ersten zwei Jahren der Pandemie haben in den 53 Staaten, die die Weltgesundheitsorganisation Europa zuordnet, bereits mindestens 17 Millionen Menschen drei Monate und länger mit den oft überaus belastenden Symptomen leben müssen. Das ergab eine Analyse für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) basierend auf einer Modellrechnung der Universität Washington unter den 53 Mitgliedsstaaten. Außerdem zeichnet sich ab, dass Frauen ein höheres Risiko haben als Männer. 

Betroffene leiden nicht selten unter einem ganzen Bündel an unterschiedlichen Problemen. Das verdeutlicht die entsprechende maßgebliche Leitlinie für Patient*innen, die von Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen entwickelt worden ist. Demnach fühlen sich Betroffene regelmäßig in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt; sehr häufig sind sie schon nach kurzen Phasen körperlicher oder geistiger Anstrengung erschöpft und müde. Es fällt ihnen schwer, komplexe Zusammenhänge zu verstehen oder sich ausdauernd zu konzentrieren. Das psychische Wohlbefinden ist beeinträchtigt. Ein nicht selten wellenförmiger Verlauf bedeutet, dass auf Phasen, in denen der eigene Zustand als annähernd normal erlebt wird, wiederum Phasen mit einer deutlichen Verschlechterung folgen. Die hartnäckigen Folgeerscheinungen einer Corona-Infektion werden als oft gravierende Einschränkung der Lebensqualität mit Blick auf Freunde, Familie und Beruf erlebt. 

Corona-Infektionen und die Folgen als zusätzliche Komplikation 

Reha-Einrichtungen, in denen mit Long-Covid als primärer Einweisungsdiagnose oder auch als bedeutsamer Komorbidität gearbeitet wird, stehen angesichts stark steigender Infektionszahlen und der damit verbundenen Zunahme auch der Betroffenen von Long-Covid wieder vor großen Herausforderungen. Wie können digitale Therapieangebote den Einrichtungen wirksame Unterstützung bei Long-Covid bieten? Wie hat sich der Wissensstand verändert, was hilft gut, was weniger? Wie kann es gelingen, auch unter erschwerten Bedingungen für die Patient*innen die so wichtige Nachsorge sicher und wirksam anzubieten? In einer neuen “Handreichung” hat Caspar Health die Expertise zur unterstützenden Begleitung der Long-Covid-Rehabilitation in der Nachsorge zusammengefasst. Unsere Kolleg*innen aus dem Forschungs- und Entwicklungsteam und der Caspar Clinic klären auf, worauf es ankommt. 

Warum wurde diese Handreichung für unsere Partner-Kliniken erstellt? 

Wir möchten die Mitarbeiter*innen der Kliniken dabei unterstützen, während der medizinischen Rehabilitation und für die Phase der Nachsorge schnell und zielgerichtet auf die individuell wichtigen Therapie-Inhalte symptombezogen zuzugreifen. Die Handreichung soll ihnen als Hilfestellung dienen, die Therapieempfehlungen leitliniengerecht umzusetzen und perspektivisch möglichst vielen Patient*innen eine qualifizierte Nachsorge zu ermöglichen. Somit ist unsere Handreichung ein nützlicher Begleiter und eine gute Orientierungshilfe im therapeutischen Alltag. Sie hilft dabei, die therapeutischen Inhalte unserer Software optimal zu nutzen. Dabei gilt: Die Handreichung enthält fachliche Tipps und Ratschläge, ist allerdings kein fertig zugeschnittenes Rehabilitationsprogramm. Über die Art und Weise und den Umfang ihrer Nutzung entscheiden immer die medizinisch-therapeutischen Fachkräfte in den Reha-Einrichtungen. Wir betrachten die Handreichung als fachliche Hilfestellung, um den Therapiealltag mit Inhalten von Caspar leichter zu bewältigen. 

Uns ist nur zu bewusst, dass die Kliniken ihre Patient*innen, die zusätzlich zur verordneten Therapie weitere Hilfen benötigen, nach besten Kräften bei ihrer Genesung unterstützen wollen. Wir zeigen auf, wie Sie sich dank digitaler Unterstützung die Arbeit etwas erleichtern können. 

An welchen Leitlinien, aber auch an welchen praktischen Erkenntnissen aus zwei Jahren Pandemie konnte sich das Team orientieren? 

Die Behandlung von Patient*innen mit Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung in Deutschland in der Rehabilitation orientiert sich im Wesentlichen an der einschlägigen S1-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). In dieser Leitlinie wird klar dargelegt, dass eine Behandlung sinnvoll ist, die zum einen auf die spezifischen Symptome eingeht. Zum anderen sollte die Behandlung immer auch ganzheitlich angelegt sein. Das bedeutet, dass auch die jeweiligen bio-psychosozialen Bedingungen der Patient*innen wie beispielsweise das jeweilige familiäre, berufsbezogene und private oder soziale Umfeld berücksichtigt werden sollten.  

In unsere Handreichung eingeflossen sind zudem die Erfahrungen, die die Reha-Kliniken in den vergangenen zwei Jahren in der Therapie gesammelt haben. So wissen wir aus der aktuellen Bestandsaufnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) vom Frühjahr 2022, das von 134 zu Long-Covid befragten Reha-Einrichtungen 72 % angegeben haben, dass das Ausmaß und die Dauer des Nachsorgebedarfes bei Patient*innen mit Long-Covid im Vergleich zu anderen Erkrankungen höher sind.

Dies ist eine wichtige Aussage, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung belegen, dass weniger als 1 von 5 berechtigten Patient*innen aktiv an einer entsprechenden Nachsorge-Maßnahme teilgenommen haben. Wir haben es also mit nun noch weiter erschwerten Bedingungen zu tun - und mit sehr niedrigen Ausgangswerten, auch ohne Pandemie! Zu den wichtigsten Gründen für die geringen Nachsorgequoten zählen nach allem, was wir wissen, allgmein erstens die schlechte Vereinbarkeit von Präsenzterminen mit den zeitlichen Ressourcen der Versicherten, zweitens beruflich bedingte Teilnahmeschwierigkeiten durch Schichtdienste und wechselnde Arbeitsorte, und drittens fehlen häufig  entsprechende Nachsorgeangebote oder sie sind schlecht erreichbar. Zu diesen ohnehin bestehenden Hürden kommt ein weiterer Faktor hinzu, nämlich die Geschlechterverteilung der Langzeitfolgen einer Corona-Infektion. Inzwischen zeichnet sich ab, dass Frauen häufiger davon betroffen sind als Männer. 

Laut einer Analyse der Hans Böckler Stiftung aus dem Jahr 2020 haben besonders Frauen durch die Pandemie jedoch einen Hauptanteil an den familiären Sorgearbeiten übernommen und sich beruflich eingeschränkt. Aufgrund dieser Doppelbelastung ist es mit Blick auf nachhaltig gesicherte Therapieerfolge besonders wichtig, gut in den Alltag integrierbare Behandlungsoptionen zu ermöglichen. Dies verringert erfahrungsgemäß wiederum das Risiko eines Abbruch des Nachsorgeprogramms. Genau deshalb sehen wir in der Tele-Reha-Nachsorge eine sinnvolle Lösung dieses Problems mit hohem Nutzen für die Patient*innen. Denn digitale Nachsorgeangebote sind flächendeckend zugänglich und für jeden zeit- und ortsunabhängig erreichbar. 

Welche Elemente aus der Bibliothek von Caspar Health sind in die Handreichung eingeflossen? 

Die Rehabilitation bei Long-Covid soll einen Symptomkomplex aus den sehr häufig auftretenden möglichen Symptomen wie Fatigue (“Erschöpfung”), Dyspnoe (“Atemnot”), Einschränkung der körperlichen und mentalen Leistungsfähigkeit, Kopfschmerzen, psychische Beschwerden und Riech- sowie Schmeckstörungen abdecken und die genannten Einschränkungen langfristig verbessern. 

Deshalb haben wir aus unserem sehr umfangreichen Katalog mit mehr als 1.100 Modulen eine Auswahl der therapeutisch relevanten Inhalte getroffen. So ist ein multimodales und individuell anpassbares Programm entstanden, das Bewegungstherapie, Atemübungen, Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen sowie Wissensinhalte enthält und leicht handhabbar ist.  

Wie lässt sich für unsere Partner-Kliniken der praktische Nutzen bei der unterstützenden Begleitung von Long-Covid mit digitaler Therapie durch Caspar Health verdeutlichen? 

Ein praktischer Vorteil liegt auf der Hand: Dadurch, dass die Handreichung auf genau die Inhalte eingeht, die im Zusammenhang mit der Bewältigung der langfristigen Folgen einer Corona-Infektion stehen, können unsere Partner-Kliniken schnell auf die relevanten Inhalte zugreifen. Genau aus diesem Grund haben wir auch eine kompakte Inhaltsübersicht zu den sinnvollen Behandlungsoptionen erstellt. Unser Angebot ist ein strukturierter Wegweiser durch den Katalog an Therapie-Inhalten. Therapeut*innen können daraus dann leicht individuell angepasste Therapiepläne erstellen. Unser Angebot zielt zudem darauf ab, bessere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Nachsorge zu ermöglichen. Denn die zusätzliche Komplikation, die durch den Faktor Corona in die Rehabilitation kommt, erschwert es unserer Beobachtung nach oft zusätzlich, eine qualifizierte Nachsorge für die ursprünglich gestellte Indikation auf den Weg zu bringen. Die Nachsorge ist aber oft entscheidend dafür, dass Therapieerfolge von den Patient*innen langfristig gesichert werden können. 

Ganz praktisch: Wie können die Reha-Kliniken die Angebote von Caspar Health mit Blick auf die therapeutische Begleitung ihrer Patient*innen mit Long-Covid konkret nutzen?  

Der Nutzen stellt sich ein, wenn sie von unseren Angeboten schon während der Rehabilitation selbst Gebrauch machen. Insofern unterscheiden sich unsere Angebote zur Unterstützung der Therapie bei Long-Covid nicht von anderen Modulen, die wir unseren Partner-Kliniken zur Verfügung stellen. Auch dabei ist es für den Erfolg unerlässlich, die Patient*innen frühzeitig mit den digitalen Modulen vertraut zu machen. Für die Nachsorge selbst gibt es verschiedene Modelle, weil einige Partner-Kliniken die Betreuung durch ein Fachtherapieteam selbst leisten, eine wachsende Zahl an Kliniken aber darauf setzt, diese Aufgabe an unsere virtuelle Caspar Clinic zu übergeben. Die Caspar Clinic arbeitet im Übrigen selbst auch auf der Grundlage unseres Long-Covid-Programms. Ein Praxisbericht dazu ist schon in Planung! Im Übrigen ist unserer Erfahrung nach die Anbindung an die App von Caspar gerade für Patient*innen in der Nachsorge ein Vorteil, weil sie dadurch fortlaufend im Kontakt mit ihrem Therapieteam stehen und über Chat und Telefonie betreut werden können. Aufgrund der Tatsache, dass die Nachsorge für von Long-Covid betroffene Patient*innen besonders anspruchsvoll ist, ist dieser “direkte Draht” oft genau der Punkt, der den Unterschied machen kann. 


Die Handreichung und das Behandlungskonzept für Long-Covid hat ein interdisziplinäres Team bei Caspar Health konzipiert. Mitgewirkt haben Frank Merten, Constanze Pfefferle, Henrik Grobe und Hannah Kalitschke.

Wollen Sie mehr erfahren und mit Caspar Health eine digital unterstützte Therapie für Long-Covid-Patient*innen anbieten? Schreiben Sie uns gerne unter: longcovid@caspar-health.com