Mit der Therapeutin zuhause durch Tele-Therapie
von Luisa Schumann am 12. Februar 2021
Als chronisch Lungenkranke muss Nathalie Stehle sich vor Infekten schützen. Zum Glück hatte ihre Therapeutin im Frühjahr 2020 eine fixe Idee.
Physiotherapie, Atemübungen, Krafttraining, Inhalieren. Jede Woche, ein Leben lang. Für Nathalie Stehle gehört Therapie zum Alltag wie für andere das Zähneputzen. Vernachlässigt sie die Therapie, verschlechtert sich ihr Zustand innerhalb kürzester Zeit.
Nathalie leidet an Mukoviszidose, einer genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung, bei der Körperflüssigkeiten aufgrund eines Defekts zäher sind, als üblich. Zum Glück wurde die Mukoviszidose schon früh bei ihr diagnostiziert, bereits im Alter von drei Monaten. “Meine Kinderärztin hatte kurz vorher ein Kind mit Mukoviszidose gehabt und kannte deshalb die Symptome”, erzählt die 25-jährige. Erst einmal hieß die Diagnose für sie vor allem, dass sie das Inhalieren erlernen musste. Hierdurch werden Medikamente oder Salzlösungen schnell in das Bronchialsystem transportiert und können dort wirken, denn der zähe Bronchialschleim verursacht bei Betroffenen oft Atembeschwerden. “Ansonsten hatte ich eine ziemlich normale Kindheit. Ich habe sogar jahrelang noch Handball gespielt. Aber meine Lungenfunktion wird immer schlechter”, berichtet Nathalie aus Ihrer Wohnung im Allgäu, wo sie inzwischen wohnt. Sie genießt die Möglichkeit, sich in ihrer Heimat an der frischen Luft bewegen zu können: “Ich versuche mit meiner Therapie fleißig zu sein, damit ich weiterhin alles machen kann. Und wenn es in einer schlechten Phase dann doch mal nicht geht, merke ich das schon. Wenn es bergauf geht, schaffe ich es manchmal halt nicht. Aber dann drehe ich um und sage mir, gut, dass ich es versucht habe.”
Und fleißig, das ist Nathalie wirklich. Seitdem sie vor zwei Jahren umgezogen ist, ist sie regelmäßig bei ihrer Atemphysiotherapeutin Sonja, mit der wir vor einiger Zeit für den Blog über Atemtherapie sprachen. Vorher war sie auch schon bei der Atemphysiotherapie, aber es wird immer mehr. “Ich muss jetzt mehr machen als früher, um mein Gesundheitsniveau zu halten. Das ist okay, ich wusste ja, dass es so kommt.”
Nathalie in ihrer Heimat im Allgäu
Noch etwas ist für Nathalie normal, das für andere einen Ausnahmezustand darstellt: Infekte sind für sie tabu. Schon immer musste Sie sich besser schützen als Gleichaltrige, jede Erkältung bedeutet Gefahr für sie. Was ging also in dieser jungen Frau vor, als sie in den Nachrichten hörte, dass sich ein Atemwegsvirus den Weg nach Europa bahnt? “Ganz am Anfang war es erst einmal beängstigend. Ich wusste ja nicht: Wie wird das für uns Lungenkranke? Es kam sofort eine deutliche Einschränkung. Ich bin nicht mehr einkaufen gegangen und habe versucht, so viel wie möglich zuhause zu bleiben. Ich habe mich richtig isoliert.” Nicht einfach sei das gewesen, vor allem mit alltäglichen Terminen. Zum Glück hat eine Person besonders schnell geschaltet: Die Atemphysiotherapeutin. “Sie hat mich angerufen und gesagt, pass auf, wir machen jetzt Telemedizin.”
Also bekam Nathalie einen Zugang zu Caspar zugeschickt und am Telefon erklärte die Therapeutin ausführlich die Funktionen der App. Zu Beginn konnte Nathalie sich noch nicht vorstellen, wie das funktioniert: “Ich war total gespannt! Das war ja ganz neu. Ich dachte: ‘Oh, wie wird das’? Ob die Verbindung halten würde, wie genau ich das nutzen könnte, das alles war mir noch ein Rätsel.” Doch dann ging es einfach los. Per App bekam sie einen Therapieplan und mehrmals pro Woche sahen sich Therapeutin und Patientin per Video, um gemeinsam Atemübungen zu machen. “Wann ich meine Übungen machen wollte, konnte ich mir also aussuchen. Die Termine mit Sonja haben mir geholfen, dran zu bleiben. Wenn ich Fragen hatte, habe ich einfach den Chat genutzt”, erzählt die Bankkauffrau begeistert. Was nicht so gut geklappt hat? “Manchmal hat die Verbindung gehakt. Und besonders bei den Übungen musste ich mir erst einmal überlegen, wo ich jetzt das Handy hinstelle, damit ich sehe, was ich tun muss und damit Sonja auch sehen kann, ob ich das richtig mache. Und, naja, manchmal muss man sich aufraffen”, schließt sie nachdenklich. “Aber dann hat man auch gleich die Belohnung!”
Nach der Therapie freier atmen zu können, das ist für Atemwegspatient*innen oft der größte Ansporn, die Übungen konsequent durchzuführen. Und gerade deshalb würde Nathalie auch in Zukunft neben ihren Terminen im Therapiezentrum die digitale Therapie beibehalten: “Bei Menschen mit orthopädischen Problemen ist es ja so: wenn sie erkältet sind, sagt man, bleiben Sie mal lieber zuhause und belasten Sie sich nicht. Wenn ich erkältet bin, muss ich erst recht meine Übungen machen! Und trotzdem sollte ich mich besser nicht ins Auto setzen und noch weit fahren, vor allem wenn es dann noch schneit wie verrückt. Das war einfach toll bei der digitalen Therapie: wenn es mir nicht gut ging, konnte ich trotzdem mit meiner Therapeutin in Kontakt sein und sie konnte den Plan anpassen, ohne dass die Therapie gleich komplett ausfallen musste.”
In ihrem Bekanntschaftskreis muss Nathalie oft noch erklären, wie das funktioniert, die Therapie per App. Aber: “Für uns Atempatient*innen ist das ein großes Thema. Ich wünsche mir sehr, dass wir die Möglichkeit weiterhin haben.” Inzwischen geht Nathalie wieder regelmäßig ins Therapiezentrum. Die App benutzt sie trotzdem noch. “Und jetzt weiß ich auch, wie es bei meiner Therapeutin zuhause aussieht. Das ist irgendwie lustig.”