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Interview

Trainingsmotivation im Sommer

von Jann Ohlendorf am 17. August 2023

Ein Gespräch mit Florian Treffler, Arzt im Team der virtuellen Caspar Clinic, über Motivation und angemessenes Training im Sommer

Wenn Therapeut*innen und Ärzt*innen ihren Patient*innen den bestmöglichen Behandlungserfolg in Rehabilitation und Nachsorge verschaffen wollen, wissen Sie: Die schönsten Worte und Erklärungen nützen wenig, wenn Motivation und Therapieplan getrennte Wege gehen. Es kommt darauf an, dass ihre Patient*innen aus Eigenmotivation handeln! Wenn niemand mehr zuschaut, ist das Training oft schnell beendet.  

Wie lässt sich die Motivation aufrechterhalten sodass Patient*innen auch in der Sommerzeit weiter trainieren? Was können medizinische und therapeutischen Fachkräfte unternehmen, um ihre Patient*innen, auch in den Sommerferien, optimal zu unterstützen?  

Florian Treffler, Arzt im Team der Caspar Clinic, unserem digitalen Centrum für Gesundheit, erklärt, warum die Körperwahrnehmung der Patient*innen so überaus wichtig ist und der Begriff  “Compliance” von vorgestern. Außerdem räumt er mit dem Mythos auf, im Sommer bei starker Hitze besser auf Sport zu verzichten. Wie das Training auch in der Urlaubszeit gelingen kann,  zeigen Sommerübungen der virtuellen Caspar Clinic. Dazu gibt es reichlich Tipps zum optimalen Training auch bei hohen Temperaturen.

Florian Treffler hat mehr als 10 Jahre in Akutkrankenhäusern und für stationäre und ambulante Rehazentren gearbeitet, bevor er das Team der Caspar Clinic verstärkt hat. Als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin und langjähriger Trainer im Fitnessstudio weiß er: “Unser Körper ist für Aktivität gemacht; regelmäßiges Training ist unabdingbar und doch nicht immer einfach in den Alltag einzubauen. Ich trainiere schließlich selbst seit meiner Jugend und weiß: Nicht immer ist es leicht, sich zu motivieren. Aber es lohnt sich.”

Tipp 1: Adhärenz ist gut, Compliance von vorgestern  

Oft wird noch von Compliance oder mangelnder Compliance der Patient*innen gesprochen, wenn es um den  aktiven Beitrag der Patient*innen zum Therapieerfolg geht. Dabei spielt der Begriff seit langem in der Ausbildung keine prominente Rolle mehr. Florian Treffler sagt: “Compliance ist schon lange nicht mehr angesagt, wird aber immer noch verwendet. Adhärenz ist der bessere Begriff!” 

Die Unterschiede liegen im Ansatz und Verständnis. “Unter Compliance versteht man das mechanische Befolgen von Regeln. Patient*innen sollen tun, was ihnen geraten wurde. Das ist aus der Zeit gefallen! Adhärenz beschreibt dagegen einen partnerschaftlichen Ansatz zwischen Patient*innen und den behandelnden Ärzt*innen und Therapeut*innen. Auf der Grundlage eines partnerschaftlichen Verhältnisses kommen wir ins Gespräch und es gelingt viel besser, ein Verständnis der Krankheit oder der Einschränkungen zu schaffen.” Nach seinen Worten stärkt das Wissen über eine Krankheit vor allem die Eigenverantwortlichkeit der Patient*innen - und das ist ein Schlüssel zur erfolgreichen Therapie! 

Tipp 2: Angst machen gilt nicht! 

Die Motivation dafür, mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, kann unterschiedliche Quellen haben.

Furchtappelle, also Hinweise auf negative Konsequenzen, bringen wenig. Sie  sollen Patient*innen zur Einsicht und Verhaltensänderung bewegen. Ein prominentes Beispiel: Schockbilder auf Zigarettenpackungen sollen Raucher zu Nichtrauchern machen. Eine Auswertung der relevanten Studien durch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags belegt, dass drastische Bilder zumindest besser verstanden werden als Textbotschaften und vor allem jüngere Menschen davon abhalten können, mit dem Rauchen anzufangen. Bei denjenigen, die schon rauchen, sind sie weniger wirksam. Sie wirken also eher präventiv. 

Schlimmer noch, meint Florian Treffler: “Häufig provozieren Furchtbotschaften falsche Energie, die in Rechtfertigungsstrategien fließt anstatt in Heilung oder Besserung." Angst machen lassen sollten sich Patient*innen aber auch sonst nicht. “Über den  Sommer kursieren auch immer noch Mythen. So wie der, dass das Training bei Hitze kontraproduktiv sei oder gar ein Hitzeschlag drohe. Dem entgegne ich gern: Training ist immer sinnvoll - wenn es zu den jeweiligen Bedingungen passt! Und die Hitzeverträglichkeit lässt sich auch trainieren.”

Tipp 3: Das Training an die Bedingungen anpassen   

Florian Treffler hat Verständnis dafür, dass im Sommer das Training nicht automatisch im Mittelpunkt steht. “Patient*innen sind auch und in erster Linie Menschen. Sommerferien, überhaupt die Sommerzeit, wollen sie verständlicherweise anders nutzen als den Alltag. Das Training kann darunter leiden. Dann ist es unsere Herausforderung als Behandelnde, ihnen die Adhärenz mit dem Training zu erleichtern.

Beim Training mit der Caspar Clinic wird das Training in den Sommermonaten angepasst, auch optisch. Wir überlegen uns immer, wie wir ein ferienfreundliches und zu den Temperaturen passendes Training ermöglichen können.” 

Seine praktischen Tipps für hohe Temperaturen: 

  • Dauer, Intensität und Häufigkeit an das Wetter anpassen, vermehrt Pausen einlegen 
  • Kein zu hoher Trainingsehrgeiz, keine neuen Bestleistungen anstreben
  • Den Körper an höhere Temperaturen gewöhnen. Das gilt ganz besonders bei Ortswechseln in wärmere Regionen in der Ferienzeit  
  • Hitzeverträglichkeit trainieren. Trainingszustand und Belastungsintensität (beispielsweise Lauf- oder Gehgeschwindigkeit) beeinflussen die Anpassungsreaktionen z.B. Schweißproduktion.
    Sport bei Hitze ist anstrengender, weil der Körper stärker beansprucht wird. Ist der Körper durch behutsames Training auch bei sommerlichen Temperaturen schon “akklimatisiert”, reagiert er schneller und effizienter mit Anpassungsreaktionen wie Schwitzen. 

Tipp 4: Auf den eigenen Körper hören und den Körper schützen  

Höhere Temperaturen und starke Sonneneinstrahlung sind zusätzliche Reize, die den Körper beim Sport belasten. Sie müssen deshalb berücksichtigt werden. 

Damit auch im Sommer ein gesundes und effektives Training im Freien gelingen kann, hat Florian Treffler weitere praktische Tipps parat: “Schützen Sie sich so gut wie möglich vor der Sonne! Nutzen Sie Sonnencreme mit hohem UV-Faktor und bedecken Sie Ihren Körper. Insbesondere der Kopf sollte nicht über längere Zeit direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sein.

Nutzen Sie Funktionskleidung. Diese begünstigt die Verdunstung des Schweißes und fördert damit den kühlenden Effekt.” Wer noch dazu auf sich Acht gibt und die eigenen Körpersignale deuten kann, ist gut unterwegs: “Sobald man das Gefühl hat, den Körper zu sehr zu belasten, sollte man entsprechend reagieren - besser erst gar nicht in die Überhitzung kommen.”

Tipp 5: Wärme ersetzt keine Aufwärmübungen  

Im Sommer ist das Körpergefühl oft anders. Man mag sich beschwingt fühlen, beweglicher. Doch dieser Eindruck kann täuschen. Auf das Aufwärmen kann keinesfalls verzichtet werden, sagt Florian Treffler: “Ob Hochsommer oder tiefster Winter: Muskeln müssen mit Aufwärmübungen auf Belastungen vorbereitet werden! Diese Aufwärmübungen sind auch bei Hitze unentbehrlich.”

Tipp 6: Mit “wenn-dann”-Mustern die Umsetzungsfalle überwinden   

Bekannt ist aus der Forschung zur Motivation, dass auf dem Weg zum optimalen Training an vielen Ecken die Intentions-Verhaltenslücke lauert. Was damit gemeint ist? Ein Sprichwort sagt: Der Weg zur Hölle sei mit guten Vorsätzen gepflastert. So weit oder tief muss man nicht gehen. Sicher ist aber, dass wir manchmal eigentlich wissen, was richtig ist und tun es dann trotzdem nicht, erklärt Florian Treffler: “Menschen sind kreativ und nutzen gern Gelegenheiten oder Vorlagen wie vermeintlich unpassende Temperaturen als Vorwand, um sich Aufwand oder Aktivität zu ersparen.” Die gute Nachricht: “Es gibt bewährte Strategien, wie wir die eigene Tendenz zu einem möglichst energiesparenden Verhalten durchbrechen können. Dazu müssen wir uns selbst austricksen! Gute Therapeut*innen und Ärzt*innen empfehlen ihren Patient*innen häufig praktische “Wenn-Dann-Regeln”, die das Training zur festen Routine werden lassen - auch und gerade in den Sommermonaten.

Das tun wir bei der Caspar Clinic auch.” Ein praktisches Beispiel dafür: Jedes Mal, wenn man eine Episode der Lieblingsserie gesehen hat, auch etwas fürs Gesundheitswissen tun - und einen Vortrag anhören.  

Tipp 7: Einfach dranbleiben und die Ergebnisse wirken lassen

Routine und Ergebnisse motivieren am besten, weiß Florian Treffler:  “Wir als Ärzt*innen können immer wieder auf die positiven Wirkungen eines regelmäßigen Trainings hinweisen. Am überzeugendsten ist es aber, wenn Patient*innen durch ein ununterbrochenes Training selbst die positiven Effekte auf ihren Körper wahrnehmen. Das geht mir selbst genauso. Wenn man mal ein gewisses Niveau erreicht hat, und damit meine ich keinen Spitzensport, und die positiven Effekte des Trainings selbst wahrnimmt, beispielsweise den Effekt stärkerer Muskeln, fällt es einem leichter dranzubleiben.” 

Mit Blick auf den Sommer oder andere Zeiten, die einer Routine entgegenstehen, bedeutet das umgekehrt auch: “Vermeiden Sie möglichst längere Trainingspausen, da es mühsam ist, danach wieder das vorherige Niveau zu erreichen! Passen Sie Ihr Training an und halten Sie so Ihr Fitnesslevel!”

Die wichtigsten Punkte nochmals im Überblick: 

  1. Sport zu treiben ist unabhängig von Jahreszeit und Temperatur vorteilhaft 
  2. Der überzeugendste Motivations-Coach ist der selbst beobachtete Fortschritt, den wir bei kontinuierlichem Training selbst wahrnehmen   
  3. Behandelnde können viel tun, um Patient*innen ein saisonal passendes Training anzubieten 
  4. Höhere Temperaturen und starke Sonneneinstrahlung sind zusätzliche Reize, die den Körper beim Sport zusätzlich belasten. Aber: Wenn das Training entsprechend angepasst wird, gelingt auch im Sommer ein effektives und gesundes Training
  5. Aufwärmen nie vergessen, auch nicht bei größter Hitze 
  6. Hitzeverträglichkeit kann trainiert werden - und wird damit selbst zum Trainingsziel 
  7. Sobald man das Gefühl hat, den Körper zu sehr zu belasten, auf die Signale achten und auf Höchstleistungen verzichten