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Interview

Leben mit Long-Covid: “Das hätte mir so oder so ähnlich auch passieren können”

von Jann Gerrit Ohlendorf am 12. Januar 2023

Behandlungskonzepte mit der Caspar Clinic anhand von drei Patient*innen-Erfahrungsberichten

Rund drei Jahre sind seit den ersten Meldungen über einen bis dahin unbekannten Virus-Typ vergangen. Was chinesische Ärzt*innen erstmals im Dezember 2019 entdeckten und später als “Corona” diagnostizierten, eroberte in kurzer Zeit die ganze Welt. Nach einer Corona-Infektion verläuft für die meisten Betroffenen das Leben bald wieder in vertrauten Bahnen. Doch leider nicht für alle.  Immer mehr Menschen sind von einer sehr schleppenden Genesung und teils gravierenden Folgewirkungen über einen langen Zeitraum betroffen. Und nicht selten überlappen sich Rehabilitation und Long-Covid-Therapie. 

Wie eine Begleitung von Long-Covid für die unterschiedlichen Anforderungen von Patient*innen durch die Caspar Clinic aussieht, erläutert unsere Therapeutin und Teamleiterin Svenja Suhr anhand von drei ganz unterschiedlichen Verläufen. Wie auch bei anderen Behandlungskonzepten liegt in der persönlichen Betreuung durch medizinisches Personal der Caspar Clinic als zweitem Element neben den Inhalten der App die besondere Stärke der kombinierten Versorgung.  

Die Namen der Patient*innen und einige Details in diesen Erfahrungsberichten haben wir zum Schutz der Privatsphäre geändert. 

Svenja Suhr

Svenja Suhr

Svenja Suhr weiß nur zu gut,  wie sehr auch junge und aktive Menschen von Long-Covid betroffen sein können. Sogar vergleichsweise  kurze Strecken, etwa zum Einkauf, werden für sie dann zum Problem. Unsere Therapeutin ist selbst eine routinierte Langstreckenläuferin. Im Herbst hat sie in Berlin und dann in Chicago an Marathon-Wettbewerben teilgenommen. Umso mehr legt sie sich in der Begleitung der Patient*innen ins Zeug. Über viele Monate steht sie ihnen bei ihrem oft langwierigen Weg zur Genesung, Besserung des Gesundheitszustandes und einer dann hoffentlich wieder möglichen aktiven Gestaltung des eigenen Lebens zur Seite.

Johanna K., die Marathonläuferin mit dem eisernen Willen 

Sehr lange ist es noch nicht her, dass Johanna K. natürlich die Treppen genommen hat und nicht den Aufzug. Der Patientin um die 30 war Fitness immer wichtig. Halbmarathon ist sie gelaufen - in ihrem früheren Leben. Dann kam Corona. Die erste Infektion im Frühjahr 2021 hatte sie nicht wirklich aus der Bahn geworfen, aber Marathons waren erst mal nicht mehr drin. Als es sie dann im Dezember ein zweites Mal erwischte, waren ihre Gedanken noch darauf gerichtet, bald wieder intensiv zu trainieren. Doch nach der dritten Infektion im April war das Thema Halbmarathon plötzlich weit, weit weg. Schon die Artikulation ihrer Wünsche fiel ihr nun schwer - weil die passenden Worte einfach nicht mehr ohne Weiteres zur Verfügung standen. Und wenn sie dann kamen, dann durcheinander, abgehackt. Arbeiten kann Johanna schon länger nicht mehr. Aber dass sie inzwischen wieder aktiver ist, sich Schritt für Schritt ins Leben zurückkämpft, liegt wohl auch an ihrem Willen, irgendwann einmal doch wieder den Halbmarathon zu schaffen. Heute traut Johanna sich wieder etwas mehr zu. Eine Gehstrecke von 1-2 Kilometern schafft sie wieder, je nach Tagesform. 

Besonderes Therapieprogramm mit der Klinik am Haussee

Johanna wird auf ihrem Weg von der Klinik am Haussee und der Caspar Clinic begleitet. Sie ist Teilnehmerin eines besonderen Programms, bei dem sich Phasen in der Klinik mit Phasen des digital unterstützten Eigentrainings zuhause abwechseln. Dann sind Therapeut*innen der Caspar Clinic an ihrer Seite. Wie hartnäckig Long-Covid sein kann, wird auch aus dem Behandlungskonzept deutlich. Denn das “Interdisziplinär internistisch-neurologisch-psychosomatische Konzept für Patienten nach SARS-CoV-2- Erkrankungen”, wie es offiziell heißt, ist von vornherein auf einen langen Zeitraum ausgelegt. Konkret sieht es für Johanna so aus: Auf einen Klinikaufenthalt von 21 Tagen folgt eine Intervall-Betreuung durch die Caspar Clinic, die sechs Monate dauert. Danach geht es wieder für sieben Tage in die Reha-Klinik, und auch an diesen Aufenthalt schließt sich eine sechsmonatige Intervall-Betreuung durch die Caspar Clinic an. Und schließlich gibt es nach der dritten Präsenz-Phase von wieder 7 Tagen in der Klinik möglicherweise auch noch eine Tele-Reha-Nachsorge. 

Svenja Suhr ist von dem starken Willen ihrer Patientin beeindruckt. Gerade weil sie selbst auch passionierte Läuferin ist, gerade, weil es sich oft so anfühlt, “als hätte mir das jederzeit auch passieren können”, ist sie froh, dass Johanna sich nicht unterkriegen lässt und nun Etappe für Etappe voran kommt. 

Irgendwann, da ist sich Johanna sicher, wird sie wieder am Halbmarathon teilnehmen. 

Klaus E., der zurück will vor die Leute 

Klaus E. war, ehe ihn Corona aus der Bahn warf, immer ein geübter Redner gewesen. Routiniert referierte er vor Verbänden, war viel auf Reisen, hatte sein Leben gut im Griff. Die Corona-Infektion änderte das alles sehr plötzlich. Die Folgen von Corona sind Klaus E. heute anzusehen: Seine Gesichtsmuskulatur ist verkrampft. Die Artikulation fällt ihm entsprechend schwer und sein Gang ist unsicher. Immer wieder machen ihm Gleichgewichtsstörungen zu schaffen. Nach der Corona-Infektion wurde außerdem noch ein Herzproblem festgestellt. Also muss er behutsam mit sich umgehen. 

Bewegungstherapie kann ihm helfen, den Gleichgewichtssinn zu trainieren. Zugleich gilt es, den Puls im Blick zu behalten. Svenja Suhr begleitet ihn auf seinem Weg, motiviert ihn und mahnt zugleich immer wieder, sich nicht zu überfordern. “Pulskontrolle ist für Klaus E. besonders wichtig. Mehr als 100 ist derzeit nicht drin.” Klaus E. möchte unbedingt vorankommen, er will wieder zurück auf die Bühne, er brennt für seine Arbeit, die er derzeit ruhen lassen muss. In der Caspar Clinic unterstützt ihn deshalb auch eine weitere Kollegin, unsere Logopädin Jennifer Graubner, mit Sprech- und Atemtherapie. „Die multidisziplinäre Aufstellung unseres Teams hilft uns bei der Begleitung von Long-Covid-Therapien sehr. Denn viele Betroffene von Long-Covid leiden unter einem ganzen Bündel an Komplikationen“, sagt Svenja Suhr. Klaus E. hat sein Ziel vor Augen: Bald schon möchte er wieder in der Lage sein, vor vielen Menschen aufzutreten.

Alina M., die sich mit neuen Grenzen abfinden muss 

Alina M. ist ein Beispiel dafür, dass der Weg zu einem aktiveren Leben mit Rückschlägen verbunden sein kann, auch wenn die Long-Covid-Therapie langfristig Erfolge zeigt. Tatsächlich können dem Körper abgerungene Leistungen den menschlichen Organismus auch überfordern. Der nun lange Weg neulich zum Supermarkt war, berichtete sie unserer Therapeutin Svenja Suhr, schlicht eine Herausforderung zu viel. Sie habe “gleich die Quittung dafür bekommen”. Anschließend ging es Alina dann nämlich richtig schlecht und sie brauchte viele Tage, um sich wieder zu erholen. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit stagniert trotz Therapie. 

Diese nüchterne Beschreibung verrät wenig über die Enttäuschung, die sich bei vielen Betroffenen von Long-Covid einstellt, wenn sie einsehen müssen, dass ihr Körper ihnen nun Grenzen setzt, die nicht einfach verschoben werden können. “Auch die Rückfälle nach einer körperlichen Anstrengung gehören zu den leidvollen Erfahrungen, die viele Betroffene von Long-Covid machen müssen”, sagt Svenja Suhr. Da ist es kein Wunder, dass mit der starken physischen Beeinträchtigung oft auch psychische Belastungen einhergehen. 

Svenja Suhr weiß aber auch, was Linderung der Symptome verschaffen kann: Ein Mix aus Dehnübungen, Atemübungen und autogenem Training hilft Alina bei der Bewältigung der Corona-Folgen. Und es gibt auch Erfolge: “Die kognitive Leistungsfähigkeit hat sich im Rahmen unserer Betreuung schon deutlich verbessert”, sagt die Therapeutin. Alinas Ziel? Mit der rechten Hand möchte sie wieder flüssig schreiben können. Und sie will die Angst verlieren vor den Treppen zur U-Bahn in der Stadt. Denn Alina hat noch viel vor in ihrem Leben - trotz und mit Corona.    

Fünf Therapieansätze nach Symptom-Clustern im Überblick 

1. Fatigue und Erschöpfung / Schlafstörungen / Ermüdbarkeit

  • sehr häufig bei Long-Covid
  • Stressreduktion, Entspannungstechniken
  • Achtsamkeit
  • kontrolliertes Training

2. Dyspnoe (Atemnot) / Husten /Leistungs- und Aktivitätseinschränkungen /veränderte Atemmuster

  • häufig bei Long-Covid
  • Edukation: Atemtechniken
  • Atemübungen
  • Entspannung
  • Bewegungstherapie

3. Depressive Verstimmung / Angstsymptomatik / Schlafstörungen

  • Achtsamkeitsübungen
  • Entspannungstechniken
  • Bewegungstraining

4. Riech- und Schmeckstörungen / Konzentrations- u. Gedächtnisstörungen

  • Achtsamkeit: den Geruchssinn entdecken
  • komplexe Bewegungsabläufe

5. allg. Ressourcenstärkung

  • Ernährung
  • Rezepte
  • Individuelle Ernährungsberatung

In einer medizinischen Handreichung hat Caspar Health die Expertise zur unterstützenden Begleitung der Long-Covid-Rehabilitation in der Nachsorge für Partner-Kliniken zusammengefasst. Auf diese Weise wollen wir insbesondere Mitarbeiter*innen von Kliniken dabei unterstützen, während der medizinischen Rehabilitation und für die Phase der Nachsorge im Einklang mit den maßgeblichen Leitlinien schnell und zielgerichtet auf die individuell wichtigen Therapie-Inhalte symptombezogen zuzugreifen. 

 

Wollen Sie mehr erfahren? 

In einem früheren Blog-Artikel wird die Handreichung ausführlich beschrieben 

Kontaktieren Sie uns außerdem gern unter: longcovid@caspar-health.com